Datum: 02.11.2014
Wer war dabei: Chris­toph, Sebi
Gipfel/Berggruppe: Vor­de­re Karlspitze/Wilder Kaiser
Name der Tour: Ost­wand „Gött­ner“
Art der Tour: Alpi­ner Klassiker
Erst­be­ge­hung: A. Gött­ner, M. Mei­er und H. Bieg­ler am 21.5.1935
Facts: Knapp 300 m Wand­hö­he, ca. 9 SL, unten anhal­tend 6, eine Stel­le 7‑, oben 3 ‑4, Zustieg von der Wochen­brun­ner Alm zur Gau­dea­mus­hüt­te und dann wei­ter Rich­tung Ell­mau­er Tor bis man über Geröll­fel­der zum Zustiegs­ka­min oder gleich zum Schr­ofen­band que­ren kann (ca. 1,5 h), das zum Ein­stieg führt. Abstieg über Abseil­pis­te im Mate­jak­ka­min (ca. 1h bis zum E) und dann über Wan­der­weg zum TAB auf der Ter­ras­se der Gau­di­hüt­te. Absi­che­rung vor Ort kai­ser­ty­pisch, d.h. Stand­bolts, ein­zel­ne Zwi­schen­bolts, eini­ge Zwi­schen­ha­ken unter­schied­lichs­ter Güte, ins­ge­samt ver­bes­se­rungs­wür­dig. Daher ein paar mitt­le­re Kei­le und Cams sowie Schlin­gen als Puls­min­de­rer angenehm.

Gött­ner,  lan­ges Elend kurz und klassisch

Vor vie­len­vie­len Jah­ren hat­ten wir mal eine ver­ant­wor­tungs­vol­le Auf­ga­be. Sol­che haben wir zwar stän­dig, aber die­se erschien doch recht anspruchs­voll. Fol­gen­des: Im Zuge sei­nes bei der IG Klet­tern Mün­chen und Süd­bay­ern e.V. abge­leis­te­ten Frei­wil­li­gen Sozia­len Jah­res (FSJ) soll­ten wir einen hoff­nungs­fro­hen wie hyper­ak­ti­ven Jung­spund auf eine für sein wei­te­res Leben nach­hal­tig rich­ti­ge Spur set­zen. Die­ser Spund war beängs­ti­gend hoch gewach­sen, von beängs­ti­gend gerin­ger Lei­bes­fül­le, dafür mit einer umso beängs­ti­gen­de­ren gewal­ti­gen tief­schwar­zen Haar­pracht ver­se­hen. Kei­ne leich­te Auf­ga­be also. Wir taten, was wir konn­ten. Ein guter Grund, eini­ge Jah­re spä­ter Bilanz zu zie­hen und sich von dem Erfolg der in müh­se­li­ger Klein­ar­beit imple­men­tier­ten Impul­se zu ver­ge­wis­sern. Und wie kann man das bes­ser, als ein­fach mal zusam­men zum Kra­xeln zu gehen. Der 2014 zunächst hart­nä­ckig aus­blei­ben­de und sich dann als Spät­som­mer tar­nen­de Spät­herbst bie­tet das Zeit­fens­ter und der Kai­ser den wür­di­gen Rah­men. Da der 1.11. bekann­ter­ma­ßen aller­hei­ligs­ter Fei­er­tag ist, geht es tags dar­auf zur Sache.

Der Treff­punkt an den Scheff­au­er Schi­lif­ten macht klar, Chris­toph ali­as Pirchi ist trotz sei­ner momen­ta­nen Exis­tenz als Wahl­in­ns­bru­cker weder klei­ner, noch fül­li­ger gewor­den. Dafür sprießt der Bart und die dar­über befind­li­chen Haa­re sind ab. Fast zumin­dest. Der Volks­mund kennt die Rede­wen­dung lan­ges Elend, Micha­el Ende kennt den Schein­rie­sen. Ich kenn jetzt auch bei­des. Der Tages­ver­lauf wird wei­te­re Details der mitt­ler­wei­le fort­ge­schrit­te­nen Mensch­wer­dung liefern.
Die Wochen­brun­ner Alm ist im Tages­licht erreicht. Und das ist gut so, denn damit lässt sich leich­ter ein Park­platz fin­den, des­sen Zufahrt nicht über den Schlaf­sack eines dort Näch­ti­gen­den führt. Aber um ehr­lich zu sein, es ist nicht viel los. Die Zustiegs­schlap­pen wer­den geschnürt, Gepäck und Gebäck ver­teilt und schon gilt es Schnee­stap­fen. Wie es oft so ist, anfangs noch wenig, nach oben etwas mehr. Ins­ge­samt bis auf kur­ze Puls­be­schleu­ni­ger aber erträg­lich, da wir früh genug dran sind und die har­schi­ge Ober­flä­che meist unser Gewicht noch trägt. Zumin­dest das von Chris­toph, zefix. Dafür muss er wenig mann­haft sei­ne Ste­ckerl­ar­me zur Gän­se­haut­ver­mei­dung in tex­ti­le Über­zie­her hül­len. Ande­re,  zufäl­lig Anwe­sen­de, begnü­gen sich da mit T‑Shirt, reich­li­cher Behaa­rung und kör­per­ei­ge­nem Naturopren.

präch­ti­ger Rück­blick über Gestapftes

So hat jeder sein Packerl zum Tra­gen und einen ent­schei­den­den Vor­sprung kann auch kei­ner her­aus­ar­bei­ten. Schließ­lich haben wir uns um Wich­ti­ge­res zu küm­mern. Denn da wo im Kübel­kar der Jubi­lä­ums­steig abgeht, wird es flach und wir müs­sen uns lang­sam ent­schei­den, wo wir eigent­lich hin wollen.

Die Tage sind natür­lich schon etwas kurz und die Win­ter­zeit amt­lich, also wer­den zur Stress­mi­ni­mie­rung etwas klei­ne­re Bröt­chen geba­cken, als eine som­mer­li­che Rou­ten­pla­nung anbö­te. Die Karlspit­zen lie­gen direkt vor uns und damit auf dem Prä­sen­tier­tel­ler. Sie garan­tie­ren zumin­dest anfäng­lich in der Ost­wand noch wär­men­de Son­ne und die über­schau­ba­re Rou­ten­län­ge eine recht­zei­ti­ge Rück­kunft ohne Gefrös­tel und Lam­pen­ge­fum­mel. Ich wer­fe u.a. Akku­gau­di oder Okto­wa­sunn in die Dis­kus­si­on. Aber Chris­toph ist noch jung und mag es klas­sisch, zudem haben wir zwar Sunn aber Nowem­ba, also pei­len wir die Gött­ner an.

Das Gestap­fe geht wei­ter, aber zumin­dest bedeckt der Schnee gnä­dig den dar­un­ter­lie­gen­den Schutt, der som­mers durch­aus auch extra ermü­den­de Aspek­te haben kann.
Außer­dem mini­mie­ren wir durch Benut­zung des Zustiegs­ka­mins in Fall­li­nie der Abseil­pis­te das läs­ti­ge Gras­band­ge­que­re und damit auch wei­te­res Gewüh­le Rich­tung Ell­mau­er Tor.
Irgend­wann erreicht man kra­xelnd das Schr­ofen­band und nach kur­zem Links­ge­schot­ter auch den Ein­stieg. Dahin könn­te man unter Zuge­winn von Extra­klet­ter­me­tern auch über einen grim­mi­gen Direkt­ein­stieg gelan­gen. Aber der hat­te mich in Jugend­jah­ren ein­mal höchst unwirt­lich abge­wor­fen und ist seit­her end­gül­tig in Ungna­de gefal­len, kann mich mal und ist pas­sè. Dafür blitzt hier der Stand­bolt im Son­nen­licht und das Seil wird ange­legt. Nach län­ge­rer Fels­abs­ti­nenz wursch­tel ich mich noch etwas unbe­hol­fen nach oben, aber die Son­ne scheint und Haupt­sa­che durch.

Wurs­tel con Pirchi

Chris­toph beweist sozia­le Kom­pe­tenz und ver­liert ob der mäßi­gen Per­for­mance wenig Wor­te. Denn jetzt darf er end­lich ran, grinst sich eins und legt los wie die Feuerwehr.

grin­sen­de Feuerwehr

Den nächs­ten Stand quit­tiert er mit einem unge­hal­te­nen Grun­zen, über­rennt ihn und zieht gleich wei­ter zum über­nächs­ten. Dass er dabei zwi­schen­drin kurz mal lang­sa­mer wird, wer­kelt und schnauft, hät­te mir zum Den­ken geben sol­len. Vor allem wenn die zuneh­men­de Demenz gnä­dig man­che uner­freu­li­che Erin­ne­rung löscht. Denn ich bin ja nicht das ers­te Mal hier unter­wegs.

Chris­toph beim Grunzen

So star­te ich froh­ge­mut und wenig vor­aus­schau­end, was zunächst in präch­ti­gem Fels auch gut hin­haut. Aber dann kommt ein zwar kur­zer, dafür glätt­li­cher, merk­wür­dig brei­ter, leicht über­hän­gen­der Riss, wie es ihn im Kai­ser und lei­der auch sonst­wo man­ches­mal gibt. Die­se Ris­se schau­en unver­fäng­lich aus, man nimmt sie nicht so rich­tig ernst, schließ­lich ist esgleich vor­bei, nur ein 6er, das seit Berg­stei­ger­ge­den­ken immer schon und da sind schon ganz Ande­re rauf­ge­kom­men. Manch­mal lösen die­se sich auch mit ein-zwei­mal wack­lig pres­sen ganz gut auf. Manch­mal aber auch nicht. Sowie die­ser, hier und heu­te. Vor allem wenn man von Haus­aus falsch steht, also schon wie­der zefix. Unge­hal­ten schüt­telt der Riss den schlecht vor­be­rei­te­ten Aspi­ran­ten mit zuneh­mend prall wer­den­den Unter­ar­men ab. Der darf erst­mal zurück auf Los und damit von vor­ne anfan­gen. Omann, also das Gan­ze noch­mal. Nun ja, schön ist was ande­res und zum Glück schaut kei­ner zu, aber irgend­wann bin ich drü­ber und kann das Selbst­ver­trau­en in der nächs­ten Län­ge aufpolieren.
Die führt etwas schat­tig in eine Rin­ne, wo man sich nach oben kla­mü­se­rt. Klas­sisch alpin halt.

klas­si­sche Freuden

Vom nächs­ten Stand weg darf Chris­toph dann als Ers­ter wie­der in die Son­ne, der Quer­gang steht an. Erst luf­tig abstei­gend, wo auch der Nach­stei­ger Con­ten­an­ce bewah­ren soll­te. Dann an einer bebol­te­ten Stel­le kurz mäch­tig den ape-fac­tor aus­rei­zend und schon ist es vor­bei. Kra­ken­chris­toph ali­as Long Island ist da natür­lich zwei­fels­oh­ne im Vor­teil, was jedoch kei­ne Ent­schul­di­gung für feh­len­de Hüft­be­weg­lich­keit sein darf.

quer in die Sonne

Der Rest ist alpi­nes Aus­lauf­ge­län­de in Aus­stiegs­rin­nen. Das brin­gen wir am lau­fen­den Seil zügig hin­ter uns, wofür ein biss­chen vol­le Kon­zen­tra­ti­on nicht unschäd­lich ist. Chris­toph rennt schon wie­der, wahr­schein­lich will er wie­der in die Son­ne. Das hat man davon, wenn man nicht auf Fett­ver­bren­nung umschal­ten kann. Und Sei­ne Ärm­lin­ge traut er sich auch­nicht mehr zu benut­zen, um kei­ne wei­te­ren Kom­men­ta­re zu provozieren.

kon­zen­trier­tes Gelän­de in die Sonne

Oben ange­kom­men strahlt nicht nur die Son­ne, auch wir und die frisch ver­schnei­ten Ber­ge ringsherum.
Zeit zum Schau­en haben wir aus­rei­chend, die Tour ist ja auch nicht all­zu lang. Aber doch gera­de lang genug, um zufrie­den auf sein Tag­werk zurück­schau­en zu kön­nen. Dazu auch noch weit­ge­hend rich­tig gute Klet­te­rei. Und der ver­flixtver­trix­te Riß gehört halt auch dazu. 

vol­le Strahlung

Wir sind uns einig: Wie­der mal ein geschenk­ter Tag. Eigent­lich unspek­ta­ku­lär, aber durch die Details ein­zig­ar­tig und ein­fach gut. So kann es wei­ter gehen. Und schon läuft die Ideen­pum­pe wie­der an, mit der end­lo­sen Lis­te, was man unbe­dingt noch alles machen müss­te­soll­te­könn­te. Herrlich.

Chris­toph peilt höhe­re Zie­le an

Nach aus­gie­bi­ger und ver­plau­der­ter Gip­fel­rast müs­sen wir uns­lang­sam mit dem Gedan­ken anfreun­den, dass der, der wo rauf geht, auch irgend­wann mal wie­der run­ter muss. Also raf­fen wir uns auf, ent­wursch­teln die Sei­le und kra­xeln zur Abseil­pis­te im Mate­jak­ka­min hin­un­ter. Das übli­che Pro­ze­de­re mit Aus­wer­fen, Wei­ter­wer­fen, Abzie­hen, Ent­wir­ren brin­gen wir rou­ti­niert hin­ter uns. Es hält uns hier auch nichts, das schat­ti­ge Ambi­en­te wird durch die Schnee­fel­der nicht hei­me­li­ger. Und wir sind froh, völ­lig allei­ne zu sein. Denn der reich­lich her­um­lie­gen­de Schot­ter führt bei grö­ße­rer Besu­cher­fre­quenz sicher zwangs­läu­fig zu hef­ti­gem Beschuss. 

fros­ti­ges Geschluchtel

Der bleibt uns heu­te erspart, dafür gibt es am Ruck­sack­de­pot eine klei­ne Brot­zeit. Wir genie­ßen die lang­sam schwä­cher und weni­ger wer­den­den Son­nen­strah­len und schlen­dern zufrie­den Rich­tung Tal.

grö­ßer als der Berg

Zum kai­ser­li­chen Abschluß wird es auf Wochen­brunn noch­mal rich­tig kit­schig, der Him­mel greift tief in sei­ne Farb­kis­te. Ein guter Tag ver­ab­schie­det sich wür­dig. Was will man mehr.
Bleibt noch das Fazit: der Bursch ist zwar immer noch lang und dünn, aber rich­tig auf­ge­gleist. Da wird man bald nur noch die Rück­lich­ter sehen, wenn er wei­ter so rennt. So ist es recht.

kit­schi­ger Abschluss