Kniefall am Urlkopf
Eigentlich wollten wir ja in den Kaiser zwengs was Längerem. Die Wetterportale billigen uns in aller Herrgottsfrühe dann aber auf einmal nur ein kleines Regenfenster zu. Also backen wir kleinere Brötchen und biegen ab zum Urlkopf. Weil der immer eine kleine Reise wert ist. Und das nicht nur für erzkernige Gesellen. Ältere Semester denken noch mit Schrecken an die Zeiten, als das Damoklesschwert einer Sperrung über dem Gebiet schwebte. Dies hängt nicht mehr so locker, seit sich alle an die damals getroffenen Regelungen halten und man sich aneinander gewöhnt hat. Auf der Loferer Alm dampft jedenfalls noch alles von den nächtlichen Güssen, aber die Sonne kommt raus und die Hoffnung steigt. Dafür sind die Füße nass.

Beim Abseilen zum Einstiegsband glänzt alles und liebliche Bächlein rinnen über die Wand. Aber es gibt auch schon trockene Partien, die muss man nur geschickt verbinden. Das brandneue Topo vom Schuppenparadies in der Tasche, fällt die Auswahl leicht, auch wenn es am Einstieg noch plätschert. Das lockt einem gestandenen Alpinisten aber natürlich bestenfalls ein müdes Lächeln hervor.
Also rein ins Vergnügen Richtung erster Bolt. Just beim Clipversuch verabschiedet sich leider das Felszäckchen, auf dem mein rechter Zeh steht und schon gehts wieder nach unten. Mit Karacho in den Dreck und die steile Wiese runter. Nina (vulgo: Kathi) darf auch mitkugeln, zum Dank dafür, dass sie eigentlich Sichern wollte. Aber wenn blödsinnigerweise noch nichts geclipt ist, kann sie ja machen, was sie will.
Das knackige Geräusch im Knie beim Aufprall kenn ich schon vom Skifahren ein paar Jahre vorher. Ein zuverlässiges Anzeichen dafür, dass da ein Bändchen den Geist aufgegeben hat. Wenn man aber wie hier zum Einstieg abseilt, muss man zwangsläufig zum Rückweg wieder rauf. Hier heißt das Klettern oder Hubschrauber. Da unsere grandiose IG-Rettungsversicherung noch nicht gültig war, gibt es somit keinen plausiblen Grund irgendetwas am eigentlichen Plan zu ändern. Also wackel und zitter ich mich angeknackst im zweiten Anlauf irgendwie die erste Länge rauf. Solange keine Torsion aufs Gelenk kommt und das Adrenalin noch passt, geht es ganz gut. Immer schön frontal ansteigen.

Da wir bergerprobt überschlagen, kann ich mich jetzt erstmal ausruhen. So soll es sein, für was hat man seine Kinder schließlich auf die Schule geschickt. Im entspannten Nachstieg wird die Birne wieder runterfahren. Und siehe da, die Kletterei ist ausgesucht prächtig.

So schwelgen wir uns weiter nach oben. Der Schlüsselüberhang erweist sich zwar erwartungsgemäß als kräftig, hat aber genug Henkel, um trotz meines unerfreulichen Körperfettanteils waidgerecht erlegt werden zu können.

Richtig schwierig wird’s dann doch noch, kurz vorm Stand. Aber einmal blöd, was mir immer leichtfällt, hinstellen und schon ist es passiert.

Der Rest will zwar auch noch geklettert werden, die grandiose Kletterei macht aber nur noch Spaß.

Oben ist dann Schluss, die angekündigteWolkenwand rast finster in unsere Richtung, das Knie pumpt, also wird zurückgehumpelt.

Einen guten Monat später hat mittlerweile der Orthopäde die Selbstdiagnose bestätigt, die Stirne gerunzelt und Ruhe angemahnt. Nur gibt es wieder ein kurzes Zwischenhoch. Solange niemand vor Ort schreit, kann man die verordnete Ruhe sicher auch am Urlkopf haben.Vielleicht nicht an dem Körperteil, das der Arzt untersucht hat, aber da darf man nicht kleinlich sein. Diesmal ist Dieter dabei, der muss halt mal ruhig sein und wenn ich den Genutrainpimpf über das Knie ziehe, sagt das wohl auch nichts.
Das Abseilen ist erstmal spannend, d.h. eigentlich das Abziehen, denn der Knoten verhängt sich begierig in den offensichtlichen Spalt am Abseilplatz. Meiomei, zeimzschuid, nicht aufgepasst. Aber ein paar Meter weiter rechts unten ist noch mal Stand und da geht es zum Glück wie geschmiert. Diesmal ist das Versteckspiel dran und Dieter legt gleich los. Ich kann ihn aber immer noch sehen, wie er in der arschglatten Schlüsselstelle versucht, das Versteck zu finden.

Die ist nicht umsonst eher mit A0 angegeben und so ist das dann auch. Was aber nicht weiter stört, denn der Rest ist gewohnt saugut. Ob Dieter deshalb wieder mal am Stand vorbeirauscht und sich dann wundert wie lang eine Seillänge sein kann, weiß ich nicht, jedenfalls ein herzliches Dankeschön an das fleißige Erschließerduo.

Mich zwirbelts natürlich wieder irgendwo unnötigerweise raus, diesmal aber weiter oben mit freier Bahn und daher folgenlos.

Dieter muss dann noch mal deutlich arbeiten, damit für mich der Strick von oben kommt.

Der Rest zum Ausstieg ersteht sich dafür etwas entspannter. Das Hoch war doch nicht so mächtig, also packen wir zusammen und kommen rechtzeitig mit den ersten Regentropfen am Auto an. Und genug Zeit für ein TAB ist auch noch. Bei dem man sich sicher sicher ist, nicht das letzte mal vor Ort gewesen zusein.
