Ski­tour — Leu­t­a­scher Dreitorspitze

Nichts gegen das Brauneck oder das Brech­horn oder die Lamp­sen­spit­ze oder schon gleich gar nicht den Schaf­rei­ter, Gott­be­wah­re. Aber irgend­wie kennt man das Gan­ze schon und manch­mal darf es ruhig ein biss­chen mehr und ein biss­chen ker­ni­ger und ein biss­chen ruhi­ger sein. Zum Glück gibt es ja so vie­le Mög­lich­kei­ten, dass man immer was fin­det. Aber man­che Mög­lich­kei­ten sind ein­fach bes­ser als ande­re, ganz sub­jek­tiv objek­tiv natür­lich. Um eine davon geht es jetzt hier.
Lan­ge schon woll­te ich mal mit Schi auf die Leu­t­a­scher Drei­tor­spit­ze. Som­mers erscheint das Gan­ze doch recht karg und schweiß­trei­bend. Zudem fehlt die Opti­on eines bequem glei­ten­den Abstiegs. Also braucht es Schnee, genug und sicher. Und dann muss man es sich ein­fach vor­neh­men und nicht wie­der mal dran vor­bei­fah­ren oder vor­her abbie­gen. Kürz­lich war es end­lich soweit.

Die Unter­la­ge stimmt, es hat­te eini­ges, aber nicht zu viel, geschneit und Erik ist sowie­so mit dabei. Sams­tags rund um sie­ben fah­ren wir los, rauf auf die A95 zügig gen Süden und — gru­ze­fix – ab Eschen­lo­he gibt es natür­lich Stau. So zockeln wir halt ab hier mit all den Ande­ren vor uns hin, bis es hin­ter Par­ten­kir­chen end­lich wie­der etwas flüs­si­ger wei­ter­geht. Am Huber­tus­hof in der Leu­t­asch fin­det das Gefährt sei­ne vor­über­ge­hen­de Ruhe­stät­te, gleich neben der fina­len, mit dem klei­nen Berg­steig­er­fried­hof.

Alpi­ne Ruhestätte

Die Park­ge­bühr wird an der Rezep­ti­on ent­rich­tet und gilt gleich­zei­tig als Anzah­lung für die after work par­ty. Damit kann es end­lich los­ge­hen.
Zunächst spu­ren wir im Wald über einen Forst­weg, der bald in einen teils mit läs­ti­gem Ver­hau gar­nier­ten Wan­der­weg in das Berglein­tal hin­ein über­geht. Im Wald ist der Schnee manch­mal knapp, aber er reicht, dass die Ski an den Füßen blei­ben können. 

Da geht’s rein

Irgend­wann kommt dann von links eine wei­te­re fri­sche Spur daher, der wir natür­lich bereit­wil­lig fol­gen. Sie nimmt einem ein biss­chen das Den­ken ab und natür­lich etwas Arbeit. Schließ­lich hat­ten wir uns schon mit einer geho­be­nen Ver­nich­tung der Ober­schen­kel­mus­ku­la­tur abge­fun­den, die nun doch deut­lich gerin­ger aus­fal­len wür­de. Als der Wald ein Ende fin­det, fährt man etwas ab in einen Tal­kes­sel. An des­sen Schluss erspä­hen wir in der Fels­stu­fe den Aus­lauf der Klamm, die der Bergl­bach dort in den har­ten Kalk ein­ge­gra­ben hat. Der Tal­kes­sel ist sowohl von links, als auch von rechts mit veri­ta­blen Lawi­nen­ke­geln ange­füllt, die deut­lich machen, dass es hier manch­mal unge­müt­lich wer­den kann. Gegen­wär­tig ist Nach­schub zum Glück nicht zu erwar­ten und so geht es wei­ter Rich­tung Steil­stu­fe. Und die ist rich­tig steil, denn wo eine Klamm ist, ist es ein­fach fel­sig und steil. Die Steil­stu­fe wird auf der im Sin­ne des Auf­stiegs lin­ken Sei­te in hef­ti­ger Spitz­keh­re­rei bezwun­gen. Yoga­jün­ger mögen dar­über mil­de lächeln, bei mir fällt ist das Grin­sen ob der not­wen­di­gen Hüft­ge­lenks­tor­sio­nen eher ver­krampft aus. Aber noch krieg ich alles rum, was ich will und vor allem auch wie­der zurück. Sonst wäre es blöd.
Bei schüt­te­rer Schnee­la­ge wird man hier wohl auch mal die Ski tra­gen müs­sen. Unser Vor­gän­ger hat­te heu­te mehr als genug Schnee, wir natür­lich auch. Nach eini­gem Höhen­ge­winn, ohne dass man ekla­tant dem Ziel von der Drauf­sicht näher gekom­men wäre, wird es dann etwas fla­cher, denn nach steil ist weni­ger steil eher flach.

Schweiß­trei­ben­des Vergnügen

Der Schweiß fließt in Strö­men, irgend­wie kommt es uns heu­te unge­wöhn­lich warm vor. In so einem Tal müss­te sich eigent­lich die Käl­te hal­ten. Wurscht, kalt genug für siche­re Ver­hält­nis­se und ein­fach schön ist es alle­mal hier. Die Bli­cke, die sich aus den wabern­den Wol­ken­lü­cken erge­ben, sind gran­di­os. Rechts die Wän­de des Wet­ter­stein­kam­mes, hin­ten der Blick aus dem Berglein­tal in die Leu­t­asch und gegen­über auf die Ahrn­spit­ze und nach vor­ne ver­liert sich alles in uner­mess­li­chem Weiß. Durch den Wol­ken­ne­bel und den Neu­schnee lösen sich dort sämt­li­che Kon­tu­ren auf und damit das Gefühl für Raum und Zeit.

Blick zurück

Die Spur führt ein­fach wei­ter in das Tal hin­ein, wo soll sie auch sonst hin. Links ist schrofi­ge Wand, rechts geht es steil hin­un­ter in die Klamm und zurück wol­len wir erst­mal nicht, denn da kom­men wir ja her. Bei eisig har­schi­gen Ver­hält­nis­sen sind hier Harsch- und ggf. sogar Steig­ei­sen ange­sagt. Ein tra­gi­sches Ereig­nis hat erst kürz­lich ver­deut­licht, wie schmal selbst hier der Grat zwi­schen Leben und Tod sein kann. Ein Abrut­schen in die Klamm hat defi­ni­tiv fina­len Cha­rak­ter. Uns zeigt sich die­se Pas­sa­ge heu­te von ihrer gemüt­li­chen Sei­te.

Zah­me Querung

Die Alt­schnee­un­ter­la­ge ist den schweiß­trei­ben­den Tem­pe­ra­tu­ren sei Dank, nicht durch­ge­fro­ren, aber fest und grif­fig, die neue Pul­ver­de­cke ist span­nungs­frei und hat gute Bin­dung zum Unter­grund. Ganz ent­spannt ist das Wei­ter­stei­gen dann doch nicht, dafür geht es zu deut­lich nach oben. Aber irgend­wie muss man die gefor­der­ten Höhen­me­ter ja auch hin­ter sich brin­gen. Eine Kup­pe reiht sich an die ande­re, vor jeder meint man, jetzt müss­te es doch end­lich mal fla­cher wer­den, nach jeder ist man eines Bes­se­ren belehrt. Doch auf ein­mal ist es wirk­lich soweit, wir sind am Platt. Zum Glück füh­len wir uns noch nicht so, wie es heißt, wir haben noch eini­ges vor uns. Immer­hin blin­zelt die Son­ne schwach durch die Wol­ken und schürt die Hoff­nung, dass es Rich­tung oben präch­tig ist.

Platt, was sonst

Ein Platt heißt so, weil es so ist, wie es heißt. Zumin­dest in Rela­ti­on zu der steil­fel­si­gen Umge­bung.
Das Leu­t­a­scher Platt ist zwar nicht völ­lig nei­gungs­frei, aber doch fla­cher als die Gegend davor und danach und drum­her­um. Zum Glück nicht ganz flach, das wäre für die Abfahrt auch nicht so toll, son­dern genau rich­tig flach.
In dem weit­läu­fi­gen Gelän­de erspä­hen wir erst­mals in der Fer­ne unser Spur­tier, ein Ein­zel­gän­ger. Eine gewal­ti­ge Leis­tung, was der da so sto­isch vor sich hin wühlt.

Wühl­ar­beit

Dass er allei­ne ist, war schon vor­her an den Stock­ein­sät­zen klar erkennt­lich. Und an der Spur­ar­beit, die zumin­dest für den Zweit­be­ge­her ja nach­ver­dich­tend immer noch anfällt. Suk­zes­si­ve kom­men wir ihm zwar etwas näher, aber ent­schei­dend eigent­lich nicht, saxen­di.

Rechts taucht dann in der Fer­ne die Schar­te zwi­schen der ande­ren Drei­tor­spitz, der Par­ten­kir­che­ner näm­lich, und Mus­ter­stein mit der Mei­ler­hüt­te auf. Auf deren Son­nen­ter­ras­se ver­läuft die Lan­des­gren­ze. Somit sind wir ein­deu­tig in Öster­reich und kön­nen den Bay­er­län­der­turm von sei­ner Scho­ko­la­den­sei­te anschau­en.

Blick von Ö Rich­tung D

Aber wir wol­len nicht dort­hin, son­dern in die ande­re Rich­tung und kup­pie­ren uns von Hügel zu Hügel Rich­tung Gip­fel­rin­ne, in die unser Vor­tur­ner die ers­ten Spitz­keh­ren fräst.

Trink­pau­se mit Blick aufs Finale

Die blei­ben uns natür­lich auch nicht erspart. Zumin­dest solan­ge, bis sie kei­nen Sinn mehr machen, weil es zu steil wird. Bei der heu­ti­gen präch­ti­gen Schnee­la­ge kom­men die Bret­ter auf den Rücken und es wird mun­ter bzw. zuneh­mend schnau­fend und pau­sie­rend wei­ter­ge­stapft.

Schnauf­ge­stap­fe

Bis in einen klei­nen Sat­tel, wo nor­ma­ler­wei­se eigent­lich wirk­lich end­gül­tig Schluss ist mit Ski.
Da der Spurer sei­ne Ski auch von dort noch wei­ter mit­ge­nom­men hat, haben wir kei­ne ande­re Wahl. Das kön­nen wir natür­lich nicht auf uns sit­zen las­sen. Also wei­ter mit den Din­gern. Selbst über eine klei­ne Fels­stu­fe hin­weg, auf den Ver­dacht hin, Blöd­sinn zu machen. Nun ja, danach war doch noch etwas Schnee, aber irgend­wann wirk­lich Schluss. Wenn der Ande­re da nicht auch sein Ski­de­pot ein­ge­rich­tet hät­te, hät­ten wir wahr­schein­lich unse­re auch noch bis zum Gip­fel (und mit Sicher­heit wie­der zurück) getra­gen.

Ski­de­pot

Das bleibt uns zum Glück erspart. Es geht nun etwas unbe­schwer­ter wei­ter, dafür mahnt das brö­se­lig ver­schnei­te Geschröf zu erhöh­ter Wach­sam­keit. Geht es doch ein­deu­tig in Absturz­ge­län­de Rich­tung Gip­fel. Nicht schwer, aber abrut­schen darf man nicht, sonst hat man eine gute Chan­ce auf ein per­sön­li­ches Kreuz im Tal.
Schatt­sei­tig nähern wir uns dem Gip­fel­grat über den die Son­ne ihre Strah­len schickt. Ein sur­rea­les Lich­ter­spiel, wir kom­men lang­sam oben aus den Wol­ken her­aus, der leich­te Wind wir­belt Neu­schnee­flöck­chen auf, in Ver­bin­dung mit dem Dunst und der Son­ne ent­ste­hen gran­dio­se Halos.

Hal­lo Halo

Wir schau­en und stau­nen. Das Gip­fel­kreuz blin­zelt auch schon ein­la­dend her­über. Sehr freund­lich, denn da wol­len wir schließ­lich hin und schon ist es soweit. Unser Dank für das Spu­ren wird von dem freund­lich wort­kar­gen Vor­be­zwin­ger die­ses gran­dio­sen Gip­fels mit einem zufrie­de­nen Nicken gou­tiert.

Drom

Wir machen es uns gemüt­lich, knip­sen ein paar Fotos in die Run­de und packen Trink­fla­schen, Brot und die obli­ga­te Hand­wurst aus. Die Frei­heit erweist sich über den Wol­ken wirk­lich als gren­zen­los.

Frei­heit mit Zugspitze

Die Zug­spit­ze glänzt mit ihrem Gip­felsau­stall her­über, die Biwak­schach­tel grüßt fröh­lich­rot vom bezau­bernd ver­schnei­ten Schüs­sel­kar­grat und wir haben es warm in der aller­schöns­ten Son­ne bei abso­lu­ter Ruhe. Bes­ser kann es gar nicht sein.

Gruß von der Schachtel

Zeit haben wir auch und die nut­zen wir. Unser Mit­strei­ter, der wäh­rend der gan­zen Zeit ein­fach neben dem Kreuz ste­hend in die Fer­ne schau­te, sich weder hin­setz­te, noch etwas zu sich nahm, macht sich auf den Heim­weg, wir haben immer noch Zeit und schau­en. Aber irgend­wann hilft es nichts, wir schot­tern und sto­chern zu den Ski­ern und rüs­ten uns zur Abfahrt.

Rück­ge­sto­cher

Zuerst ein paar unge­len­ke Schwün­ge im Steil­harsch, dann Geschred­der über die Fels­stu­fe und schließ­lich gran­dio­se Kurz­schwün­ge in der fest­pulv­ri­gen Steil­rin­ne. Ein biss­chen selbst­be­wußt Ski­fah­ren soll­te man da schon kön­nen. Aber jetzt öff­net sich das wei­te Platt und bie­tet allen Platz der Welt für freie Rou­ten­wahl und wei­te Schwün­ge. Und das Gan­ze auch noch bei bes­tem Pul­ver­schnee. Herr­lich. Nur die essig­sauren Schen­kel bren­nen und erzwin­gen hin und wie­der hef­tig beschnauf­te Pau­sen. Wer län­ger auf­steigt, hat auch eine län­ge­re Abfahrt und das ist heu­te rich­tig gut so.

Pul­ver­sau­re Freude

Ein schö­ner Hang reiht sich an den ande­ren, bis wir schließ­lich an die Steil­stu­fe am Ende der Klamm kom­men. Hier sind beherz­te Kurz­schwün­ge und kan­ten­be­ton­tes Rum­ge­hüp­fe Trumpf, um zwi­schen den Stau­den halb­wegs in Wür­de nach unten zu kom­men. Zar­te­re Gemü­ter soll­ten hier viel­leicht abschnal­len, wenn das eine schüt­te­re Schnee­la­ge nicht von Haus aus erfor­dert.
Dann geht es über Lawi­nen­bol­ler zum Forst­weg, der einen kur­zen Gegen­an­stieg erfor­dert. Wer weiß, wie es geht, kann evtl. auch am Bergl­bach ent­lang­fah­ren. Wir tun das nicht und hal­ten uns daher sicher­heits­hal­ber an den teils stei­ni­gen und manch­mal recht schma­len Wan­der­weg, den wir schon vom Auf­stieg ken­nen. Aber auch hier kom­men noch ein paar schö­ne Schwün­ge im Wald zustan­de und wir las­sen es mit brei­tem Grin­sen bis zurück zum Park­platz lau­fen. Zufrie­den wird das Gerüm­pel ver­staut und die Schu­he gewech­selt, die Park­ge­bühr in Getränk und Top­fen­stru­del umge­wan­delt. Wo sich, durch­aus lie­be­voll umsorgt, wie­der mal die Fra­ge stellt, wie eigent­lich der Ser­vice der alpen­län­di­schen Gas­tro­no­mie vor Öff­nung der Ost­gren­zen auf­recht erhal­ten wer­den konn­te.

Facts:
Leu­t­a­scher Drei­tor­spit­ze 2682 m NN, insg. mit Gegen­an­stieg knapp 1700 Hm Auf­stieg, 4–5 h rauf, 1 — 2 h run­ter.
Gran­dio­se Ski­tour für alpin Ver­sier­te und Inter­es­sier­te .
Har­sch­eisen nicht ver­ges­sen, für den Gip­fel­auf­stieg Tritt­si­cher­heit unab­ding­bar, ggf. Steig­ei­sen angenehm.

Ski­tour Leu­t­a­scher Dreitorspitze

Datum: 23.03.2017

Gipfel/Berggruppe: Leu­t­a­scher Drei­tor­spit­ze 2682 m NN

Name der Tour: Leu­t­a­scher Dreitorspitze

Art der Tour: Skitour

Kurz­be­schrei­bung: Gran­dio­se Ski­tour für alpin Ver­sier­te und Interessierte.

insg. mit Gegen­an­stieg knapp 1700 Hm Auf­stieg, 4–5 h rauf, 1 — 2 h runter.

Voraussetzungen/Ausrüstung: Har­sch­eisen nicht ver­ges­sen, für den Gip­fel­auf­stieg Tritt­si­cher­heit unab­ding­bar, ggf. Steig­ei­sen angenehm.