Ski­tour — Heimgarten

Man­che Din­ge darf man gar nicht laut sagen. Meint man zumin­dest. Ich mach es trotz­dem. Selbst auf die Gefahr hin, ab jetzt von den Weni­gen, die es über­haupt noch tun, nicht mehr ernst genom­men zu wer­den. Ich gebe es an die­ser Stel­le ein­fach zu: Ich war noch nie im Win­ter von Ohl­stadt aus mit Ski auf dem Heim­gar­ten. So, jetzt ist es raus. Die ewi­gen Mäk­ler mögen mäkeln, dass ich mir da leicht täte, gleich nach­dem ich die­se Wis­sens­lü­cke kürz­lich aus­ge­merzt hät­te und es des­halb nicht mehr ganz so ver­werf­lich sei. Sei‘s drum, es ist, wie es ist.

Jetzt aber zur eigent­li­chen Tat.

Die­sen Win­ter sind wir auf der Alpen­nord­sei­te aus­nahms­wei­se mal wie­der begüns­tigt. Das freut uns, weil wir fast aus­schla­fen kön­nen, und freut den Kli­ma­schutz, da die Anfahr­ten deut­lich kür­zer aus­fal­len, wenn in den Vor­ber­gen präch­ti­ger Pul­ver auf Durch­wüh­lung war­tet. Anhal­tend kalt ist es auch und damit kein Grund zur Eile gege­ben, nur dass es immer noch staubt. Erik wünscht Über­schau­ba­res, er hat abends wich­ti­ge Din­ge zu erle­di­gen. Moe ist es wurscht und Die­ter freut sich immer, wenn er nicht zuviel vor der Brust hat. Die Bedin­gun­gen schei­nen per­fekt, also fällt die Wahl end­lich mal auf den Heim­gar­ten.
Wir tref­fen uns bei der Aus­fahrt Schäft­larn im eisi­gen Nebel, pfer­chen uns in Die­ters Gefährt und brau­sen Rich­tung Ohl­stadt. Dort neh­men wir mit freu­di­gem Erstau­nen einen durch und durch nor­ma­len Ort zur Kennt­nis, der noch nicht durch über­trie­be­ne Auf­hüb­schungs­maß­nah­men und Ver­al­di­sie­rung ver­saut wur­de. Möge die­ser Zustand dem Roman­ti­ker erhal­ten blei­ben. Der orts­an­säs­si­ge Ein­zel­han­del wird um Back­wa­ren erleich­tert, am Park­platz wird auf­ge­fellt.

Reif­zaun

Es ist zwar veri­ta­bel kalt, der Reif kann über­all reiz­vol­le Gebil­de bas­teln, aber irgend­wie ist es nicht unan­ge­nehm. Manch­mal beißt es ja rich­tig und man friert sich einen Wolf beim Gewursch­tel, bis man end­lich in die Gän­ge kommt. Heu­te gestal­tet sich das Gan­ze erträg­lich und wir spa­zie­ren gemäch­lich los. Weg­fin­dungs­pro­ble­me haben wir nicht, die Schil­der sind ein­deu­tig und der Weg erst recht. Die Füh­rer­wer­ke war­nen ja ein­drück­lich, dass es zunächst eher ein­tö­nig auf Forst­stra­ßen hin­an­ge­he. Das stimmt durch­aus. Am Anfang. Denn schon bald zei­gen die abge­hen­den Spu­ren Orts­kun­di­ger, dass man die­sem High­way nicht fol­gen muss, son­dern beschau­lich im Gelän­de die weitaus­ho­len­den Ser­pen­ti­nen abkür­zen und das Höher­stei­gen inter­es­san­ter gestal­ten kann. Uns freut das und mun­ter plau­dernd gewin­nen wir an Höhe, nur manch­mal unter­bro­chen von diver­sen Pin­kel- bzw. Aus­zieh­pau­sen der­je­ni­gen, die anfangs beson­ders ver­fro­ren waren.

Aus­zieh­pau­se


Eine Zeit­lang gewin­nen wir schö­ne Ein­bli­cke auf die süd­lich von uns auf­tau­chen­den Fel­sen des Illing. Zu wär­me­ren Zei­ten durch­aus klet­ter­freund­li­ches Gelän­de und von den Locals auch ent­spre­chend genutzt, aber halt auch von Fal­ken­ge­tier besucht und daher nicht ganz unum­strit­ten. Mögen durch Umsicht, Rück­sicht­nah­me und Akzep­tanz der jewei­li­gen Bedürf­nis­se alle Betei­lig­ten ihr Aus­kom­men fin­den. Auf Ski­ern win­ter­lich unter­wegs wird nur dem Kun­di­gen die­se Kon­flikt­la­ge ins Bewußt­sein gerufen.

Fel­sen­blick


Wir kom­men zum Schei­de­punkt. Rechts rum geht es Rich­tung Bären­fleck­hüt­te, links rum Rich­tung Käser­alm. Rauf kom­men tut man über bei­de Wege, wir wol­len aber rechts rauf und links run­ter, also machen wir das auch. Dafür müs­sen wir erst durch das Bach­bett und drü­ben das stei­le Ufer hin­auf, bis es durch den Wald wie­der etwas puls­scho­nen­der wei­ter geht.

Erik schont den Puls


Hier gehen die einen etwas wei­ter rechts, die ande­ren etwas wei­ter links (und kom­men dadurch in den Genuss, die Bären­fleck­hüt­te anschau­en zu kön­nen). Bei­de Vari­an­ten sind ein­ge­spurt, irgend­wann tref­fen wir uns dann wie­der und schie­ben durch präch­ti­gen Pul­ver­schnee in Rich­tung des nächs­ten fel­si­gen Steil­auf­schwungs.

Moe genießt das Wiedersehen

Dort bas­telt sich die Spur mit wohl­ge­wähl­ten Spitz­keh­ren auf unter dem Schnee zu erah­nen­den Fel­sen­bän­dern an läs­ti­gen Lat­schen vor­bei. Als Ers­ter nach Neu­schnee hilft hier sicher­lich ein gutes Weg­fin­dungs­ge­spür ent­schei­dend wei­ter. Wir haben es da deut­lich leich­ter und neh­men die Leis­tung der Vor­be­ge­he­rIn­nen freu­dig und dank­bar in Anspruch.

Sicht­li­che Freu­de


Die­se Vor­ar­beit und das zuneh­mend offe­ne Gelän­de erlau­ben ent­spannt präch­ti­ge Tief- und Weit­bli­cke. Ins­be­son­de­re das wei­ter­hin neb­li­ge Vor­land wird dabei mit­lei­dig zur Kennt­nis genom­men. Lang­sam wird es hel­ler und schließ­lich kom­men wir an einer Schul­ter in der Son­ne an. Der Gip­fel schaut auf uns her­un­ter und wir zu ihm her­auf, der Wei­ter­weg ist jetzt mehr als eindeutig. 

Der Eine blickt zurück, der Ande­re zum Gipfel

Erst den Rücken ent­lang bis zu einem Sat­tel, wo auch der Auf­stieg von Schleh­dorf her ein­mün­det und wir dann bei der Abfahrt abbie­gen wol­len. Dann den Gip­fel­auf­schwung durch Latschen­ge­werk ein­fach rauf, bis es nicht mehr wei­ter geht. Das Gip­fel­kreuz ist schatt­sei­tig bereift, die Son­ne wärmt auf der ande­ren Sei­te das Holz. Die Hüt­te schaut zwar ein­la­dend aus, hilft uns aber nicht ent­schei­dend wei­ter, da sie im Win­ter nicht bewirt­schaf­tet ist. Dafür wird unse­re Gip­fel­brot­zeit mit einem aus­neh­mend schö­nen Rund­u­ma­dum­pan­ora­ma ver­süßt. Der Pavil­lon vom Her­zog­stand, der Wal­chen­see, Kar­wen­del­gip­fel, Wet­ter­stein­stock, Mur­nau­er Moos, die put­zi­gen Wind­radl von Berg, alles da. Nur der Kochel­see ver­steckt sich unter hart­nä­cki­gem Nebel.

Wal­chen­see mit Moun­tain Wave


Wir schau­en und stau­nen und füh­len uns wie meh­re­re Köni­ge. So wie all die Ande­ren wohl auch, denn ganz allei­ne sind wir natür­lich nicht. Kein Wun­der an einem sol­chen Tag. So rich­tig zuge­hen tut es aber nicht. Die Son­ne scheint mild in die Wind­stil­le, alles rich­tig gemacht. Irgend­wann ist die Wurst ver­tilgt, der Tee geschlürft und das Keks geknab­bert. Der idea­le Zeit­punkt die Schnal­len zu schlie­ßen, Hosen­bei­ne über den Schuh­r­and zu wer­keln, die Fel­le zu ver­stau­en und den Ski im Abfahrts­mo­dus unter die Soh­len zu neh­men. Über den Gip­fel­rü­cken geht es ent­lang der Auf­stiegs­spur zurück.

Gip­fel mit Rucksack

Doch erst müs­sen wir etwas war­ten, den Moe war so abfahrts­geil, dass er im Über­schwang der Gefüh­le sei­nen Ruck­sack am Gip­fel hat ste­hen las­sen. Das hät­te er sicher bis unten. Wir waren aber der Mei­nung, dass unser Jung­spund den Tag in bes­se­rer Erin­ne­rung behält, wenn wir ihn früh­zei­tig dar­auf hin­wei­sen. Er stapft zurück, kommt wie­der und wei­ter geht’s bis in den schon erwähn­ten Sat­tel. Da bie­gen wir ab in das Nordkar. 

Blick ins Nordkar

Da darf jeder sei­ne per­sön­li­che Pul­ver­rin­ne suchen. Die anspruchs­vol­le­ren sind teil­wei­se noch unver­spurt, was wir uns nicht ent­ge­hen las­sen. Etwas Vor­aus­schau scha­det nicht, wenn man sein Vor­ha­ben ohne Sack­gas­sen­ger­amp­fe zu Ende brin­gen will. Wie es halt so ist, wenn man nicht auf Schie­fermu­geln Typ Kitz­bü­hel unter­wegs ist. Zwi­schen­drin beob­ach­ten wir die Lei­dens­ge­schich­te einer armen Tou­ren­ge­he­rin, in deren Knie sich offen­sicht­lich ein ent­schei­den­des Band ver­ab­schie­det hat. Unse­re ver­schie­dent­li­chen Hilfs­an­ge­bo­te wer­den aber von der Grup­pe abge­lehnt, also kön­nen wir nur das Bes­te wün­schen, die­se auf den bal­di­gen Hub­schrau­ber hof­fen und wir uns auf den Wei­ter­weg machen.

Rin­nen­tanz

Der führt als­bald nach links. Da gibt es sicher bes­se­re und schlech­te­re Alter­na­ti­ven, die uns­ri­ge ist mit einem Sta­chel­draht gewürzt und even­tu­ell sub­op­ti­mal, endet aber zuver­läs­sig an der Käser­alm, wo wir bei einem kur­zen Flach­stück auf der Forst­stras­se schie­ben dürfen. 

Käser­alm­ge­schie­be

Zumin­dest solan­ge, bis wir auf Wald­lich­tun­gen den direk­ten Weg wäh­len kön­nen. Das geht ein­wand­frei, bis zuneh­men­des Kra­chen unter den Bret­tern dazu mahnt, jetzt doch eher auf dem Forst­weg zu blei­ben, der uns dann ziel­si­cher auf dem Park­platz aus­spuckt. Mit brei­tem Grin­sen wird das Gerödel ver­staut, Die­ter zün­det die Maschi­ne und schon rol­len wir wie­der Rich­tung Vor­land­ne­bel, erfüllt von schö­nen Aus­bli­cken, wei­chen Schwün­gen in stau­ben­dem Pul­ver und der ein­fa­chen Freu­de am Draus­sen­sein. Da kann man schlicht nicht meckern und Erik kam auch noch recht­zei­tig heim.


Facts:
Heim­gar­ten 1791 m NN, knapp 1100 Hm Auf­stieg, 2 — 3 h rauf, 0,5 — 1 h run­ter.
Bei guter Sicht lan­ge Gip­fel­rast wahr­schein­lich. Hüt­te vor­han­den, im Win­ter aber zu.
Gute Schnee­la­ge angenehm

Datum: 16.02.2017

Wer war dabei: Sebi, Erik, Moe

Gipfel/Berggruppe: Baye­ri­sche Voralpen

Name der Tour: Heim­gar­ten 1791 m NN

Art der Tour: Skitour

Kurz­be­schrei­bung: knapp 1100 Hm Auf­stieg, 2 — 3 h rauf, 0,5 — 1 h runter.

Voraussetzungen/Ausrüstung:

Bemerkungen/Besonderheiten:

Bei guter Sicht lan­ge Gip­fel­rast wahr­schein­lich. Hüt­te vor­han­den, im Win­ter aber zu.

Gute Schnee­la­ge angenehm