Datum: 20.06.2011
Wer war dabei: Die­ter, Sebi
Gipfel/Berggruppe: Rot­wand-Roda di Vael/Rosengarten
Name der Tour: West­wand „Eisen­ste­cken“
Art der Tour: Alpinklettern/Alpiner Klassiker
Erst­be­ge­hung: O. Eisen­ste­cken, F. Rab­an­ser, F. Oberrauch,1947

facts: Rotwand/Roda di Vael 2806 m, W‑Wand „Eisen­ste­cken“
Erst­be­ge­hung O. Eisen­ste­cken, F. Rab­an­ser, F. Ober­rauch 1947
Ca. 300 m Wand­hö­he, ca. 10 SL, unten meist 6, oben meist 5
Zustieg vom Karer­pass (2h) bzw. Pao­li­nahüt­te (1h, Berg­sta­ti­on des Sesselliftes)
Abstieg über Klet­ter­steig und Wan­der­weg (ca. 1h bis zum E.)
Absi­che­rung vor Ort dolo­mi­ten­ty­pisch, d.h. ver­bes­se­rungs­wür­dig. Daher wohl­aus­ge­wo­ge­nes Keil­sor­ti­ment, Cams von klein bis groß und Schlin­gen als Lebens­ver­si­che­rung unumgänglich

Alpi­ne Klassiker

Rot­wand (Roda di Vael) –Eisen­ste­cken

Woher die Rot­wand ihren deut­schen Namen her haben könn­te, wird jedem bei Abend­rot klar. Aber nur, wenn man das Glück hat, dann auf die West­wand zu schau­en. Die ist sonst auch recht beein­dru­ckend, in die­sen Momen­tan zudem fas­zi­nie­rend schön. Die ita­lie­ni­sche Bezeich­nung des Ber­ges hat mit „Roda di Vael“ zwar mehr Sprach­me­lo­die, aber wohl eine deut­lich schnö­de­re Bedeu­tung (Vael ist der obe­re Teil des Vajo­lon­ta­les, von hier mag einem die Rot­wand rad­för­mig (Roda = ruo­ta) erscheinen).

Die Rot­wand errö­tet zart am Abend

Das ist alles nett zu wis­sen und stört uns nicht wei­ter. Wir wol­len ein­fach durch die West­wand klet­tern. Die Klas­si­ker­kro­ne, noch dazu Pau­se­proo­ved gehört wohl dem „Her­mann-Buhl-Gedächt­nis­weg“ (Brand­ler & Has­ser) aus dem Jah­re 1958. Ehe­dem VI/A2, dann nach Maria­chers Groß­tat seit 1982 frei bis 8 und vor allem nach einem Berg­sturz in der Mit­te weg. Es gibt zwar neu­er­dings eine obskur-brö­se­li­ge Umge­hung der Fehl­stel­le. Für das Gan­ze ist jedoch in Ver­bin­dung mit dem gera­de nach oben hin wohl maka­ber ält­li­chen Haken­ma­te­ri­al deut­lich mehr Rund­um­enga­ge­ment erfor­der­lich, als wir ein­zu­brin­gen bereit und zu leis­ten in der Lage sind.

Zum Glück gibt es eine wür­di­ge Alter­na­ti­ve. Wer öfters in den Dolo­mi­ten, vor allem im Rosen­gar­ten, unter­wegs ist, stößt immer mal wie­der auf den Namen Otto Eisen­ste­cken. Der Boze­ner (1920 –2004) leg­te zwar wenig Wert auf Publi­ci­ty, hin­ter­ließ jedoch in sei­ner nur 6 Jah­re andau­ern­den Klet­ter­pha­se der Nach­welt eini­ge kräf­ti­ge Nüs­se zum Kna­cken. Eine davon liegt in der Rot­wand. Dibo­na gelang am rech­ten Rand der West­wand bereits 1908 die ers­te Rou­te dort über­haupt, aller­dings führt die­se eher über den dort befind­li­chen Pfei­ler (eine höchst genuß­vol­le Ange­le­gen­heit aus­ser­dem) Eisen­ste­cken mach­te sich mit zwei Kum­peln 1947 an die Arbeit und nach zwei Tagen hat­te er der West­wand der Rot­wand die ers­te Rou­te in ihrem zen­tra­le­ren Teil ver­passt. Den Faux-pas, bei der Erst­be­ge­hung an einer Stel­le einen Bohr­ha­ken gesetzt zu haben, bügel­te er spä­ter wie­der aus, indem er ihn ent­fern­te und die Stel­le ein­fach frei klet­ter­te. Und so ist es bis heu­te. Die glätt­li­chen Ris­se wol­len ehr­lich erkämpft sein und mehr Mate­ri­al als unbe­dingt nötig steckt auch nicht. Doch davon später.

Die­ter freut sich auf Bewegung

Früh im Jahr ste­hen wir jeden­falls froh­ge­mut unter dem Ein­stiegs­riss und hof­fen dar­auf, dass uns beim Klet­tern schon noch warm wer­de. Denn Son­ne gibt es in einer West­wand erst spä­ter. Ohne gemüt­li­ches Ein­tur­nen darf man gleich rich­tig hin­lan­gen, die sub­op­ti­ma­len Siche­rungs­punk­te vor Ort wol­len ent­spre­chend ergänzt wer­den. Alles in allem kein typi­sches Hal­len­ge­län­de, man­che Grif­fe darf man sogar mit­neh­men.

Die­ter sucht sich Grif­fe aus

Der glätt­lich gel­be Fels glänzt auch nicht vor Rei­bung, Kon­zen­tra­ti­on ist gefor­dert. Aber es hilft ja nichts. So gewin­nen wir sprei­zend, klem­mend und schuf­tend an Höhe.

Sprei­zen

 

Klem­men

Ten­den­zi­ell wird die Riss­rei­he nach oben hin etwa schwie­ri­ger, gera­de so wie man sich zuneh­mend an das Gesche­hen gewöhnt. So bleibt esim­mer ein biss­chen spannend.

Schuf­ten

Nach ein paar Seil­län­gen wird es dann fla­cher, die Ris­se hören auf und man wen­det sich nach rechts in Rich­tung auf den grau­kom­pak­ten obe­ren Wand­teil. Immer­hin haben wir hier Son­ne, was das Gemüt spon­tan hebt. Über­ein­stim­mend wird auch behaup­tet, dass es ab jetzt ein­fa­cher würde.

Die­ter genießt die Sonne

Das mag schon sein, wenn man weiß, wo genau es lang geht. Das Gelän­de ist unüber­sicht­lich, immer­hin fin­det man alle hei­li­gen Zei­ten einen alten Haken oder ein sprö­des Schlin­gerl. Das ver­schafft einem zumin­dest die Gewiss­heit, dass hier schon mal jemand ande­res her­um­ge­irrt ist. 

Da geht’s wirk­lich lang?

Die­ter biegt ein­mal falsch ab und darf dafür über senk­rech­ten Wür­fel­zu­cker zu einem leh­mi­gen Bruch­band, wo er wenig über­zeu­gend behaup­tet Stand zu haben. Ein biss­chen auf­re­gend kom­men wir auf den rech­ten Pfad zurück und nähern uns schließ­lich dem Aus­stieg.

Das Ende naht

Mit rela­tiv fes­tem Boden unter den Füßen lässt sich‘s auch wie­der lachen. Nur der Blick auf die Uhr ruft Sor­gen­fal­ten hervor.

wie­der mal geschafft

Da kann man sich manch­mal nur wun­dern, wie viel Zeit man in einer von der Län­ge her eigent­lich über­schau­ba­ren Tour ver­bra­ten kann. Kommt aber vor, und geschenkt bekommt man die­se wirk­lich nicht. Hut ab, Herr Eisen­ste­cken. Mög­li­cher­wei­se war es für ihn eine wei­se Ent­schei­dung, sei­ne Klet­ter­schu­he schon nach 6 Jah­ren wie­der an den Nagel zu hän­gen. Wir ver­schwen­den aber dar­an erst­mal kei­ne Gedan­ken, die Situa­ti­on ist ernst genug.

Die­ter erkennt den Ernst der Lage

Das Essen ruft und wir sind über­fäl­lig. Mit Voll­gas het­zen wir über Klet­ter­steig und Wan­der­pfad nach unten, was sich durch­aus ren­tiert. Über­glück­lich kön­nen wir ein zwar deut­lich ver­spä­te­tes, dem Han­dy sei Dank aber auf­ge­ho­be­nes und dem wür­di­gen Anlass ent­spre­chen­des Pracht­mahl genie­ßen. Nicht ohne vor­her aus­gie­big der Braue­rei Forst ein Dan­kes­op­fer dar­ge­bracht zu haben.