Datum: 18.10.2014
Wer war dabei: Kathi, Vali, Sebi
Gipfel/Berggruppe: Maukspitze 2231m/Wilder Kaiser
Name der Tour: Westwand „Buhl“
Art der Tour: Alpiner Klassiker
Erstbegehung: Hermann Buhl, Wastl Weiss, Hermann Reischl 22. August 1943, oberer Quergang K. Gombocz, H. Vigl 1948
Facts: Ca. 400 m Wandhöhe, 15 SL, am WollWoll kernig 6+, sonst HalbeHalbe 5–6 bzw. leichter. Im Quergang boltreich A0. Insgesamt mal mit, mal ohne Gras. Hin und wieder Griffe zum Mitnehmen.
Zustieg vom Schleierfallparkplatz oberhalb Prama zur Ackerlhütte (1,5h), von dort weiter zum E (1h)
Abstieg teils kraxelnd über markierten Steig (ca. 1h bis zum Rucksackdepot)
Absicherung brauchbar an gebohrten Ständen und strategischen Zwischenbolts. Ein Camsortiment und Schlingen helfen Zwischenräume zu überbrücken, Keile eher selten einsetzbar. Für den Quergang sittliche Reife oder knapp 40 Exen o.ä. erforderlich.
Maukspitze, Buhl: Wollwoll, wohl wahr
Der Ostkaiser liegt ja nicht so im Fokus des Mainstreams, ein Grund mehr, da immer wieder mal hinzugehen. Denn zum Kraxeln gibt es mehr als genug. Zumindest wenn man genug auf der Pfanne hat. Aber auch für den Gebrauchskletterer mit kleiner Pfanne gibt es eine reiche Auswahl. Ist man am Schleierfallparkplatz oberhalb von Prama ange- und dem düsteren Wald etwas entkommen, hat man schon die ganze Pracht vor Augen.

Hochgrubachspitzen, Ackerlspitze, Waxensteiner Turm und ganz rechts der Klotz der Maukspitze. Und genau an diesem Klotz gibt es einiges Geschichtsträchtiges und noch viel mehr Neuzeitliches zu erledigen.Unser Sinn steht nach Ultraklassischem und so wollen wir, d.h. Kathimarcelvaliich, auf Buhls Spuren in der Westwand wandeln und dem „Wollwoll“ einen Besuch abstatten. Dass die Route einen Pausepunkt einfährt, wenn auch mittlerweile einen sanierten, beschleunigt die Entscheidung.
Aber bis dahin ist erstmal ein weiter Weg. Unten im Tal wabert noch der Nebel, wir dürfen weiter droben schon in der milden Herbstsonne schwitzen.

Zuerst auf teils steilem aber schönem Weg geht es und wir zur (unbewirtschafteten) Ackerlhütte, dann weiter bis zum Östlichen Hochgrubachkar. Je nachdem wie man da hin kommt (entweder teils weglos direkt oder über den Weg mit etwas Umweg), kann man mehr oder weniger sinnvoll ein Rucksackdepot einrichten und über das schuttige Kar zum Einstieg tigern. Wo schon ein blitzender Bolt hoffnungsfroh wartet.
Die ersten Seillängen sind noch schattig und der Botanikfels erfordert eine durchaus rücksichtsvolle Herangehensweise, um keine Lücken im liebevollen Arrangement zu hinterlassen. Bis jetzt spricht alles eher den Naturfreund an. Von denen gibt es wohl mehrere, denn nach uns kommen noch drei weitere Seilschaften an. Die Saat der Kenntnis neuzeitlicher Beboltung trägt offensichtlich Früchte und führt zur Vollversammlung mit Platzvergabe. Uns ist das egal, denn wir sind vorn und weg.

Das Gras wird dann weniger und auch die Wand ist in weniger bzw. größere Einzelteile unterteilt. Es reicht sogar für eine kleine Rissverschneidung, die eine leichte, immer noch gemütliche Ahnung davon vermittelt, dass es nun etwas strenger zur Sache geht. Vom bequemen Stand am Band aus kann man dann das historienreiche Schmuckstück der Route mustern und sich Ausreden überlegen, warum es gerade jetzt ausnahmsweise ausgeschlossen ist, das scharfe Ende des Seiles zu übernehmen.

Im WollWoll sorgen seit ein paar Jahren Bolts für Ordnung und deutlich mehr Ruhe beim Vorsteiger. Der alte Schlaghaken kurz vor Beginn der Schinderei, während dieser einfach gar nix und liebevoller Weise erst wieder danach ein Köpfel für ein Schlingerl führen deutlich ins Bewußtsein, dass es früher erheblich grimmiger zuging. Klettern muss man das WollWoll aber immer noch.

Da gibt es nichts zu beschönigen, diese spezielle Art von Ganzkörperkletterei ist sicher nicht jedermanns Sache. Irgendwie schiebt man sich unter Dauerpressung zwischen Zehenspitzen und rückseitigen Körperteilen stückweise aufwärts und benutzt Muskelpartien, von denen man sich zunächst nicht vorstellen kann, dass man sie überhaupt besitzt. Aber sie sind dann doch da und das ist gut so. Lohn des Ganzen ist, dass man von oben auf das runterschauen kann, was man hinter sich gebracht hat.

Das hilft einem aber auch noch nicht entscheidend weiter, denn man steckt in einem engen Spalt und kann sich erst wieder rühren, nachdem irgendwie ein zwei Meter hochgerobbt wurden. Ein Rucksack steigert natürlich, wie es so ist, nicht unbedingt die Freude am Tun. Aber einmal in Bewegung gesetzt, geht es wider Erwarten doch weiter und schließlich kommt der wohlverdiente Stand.
Hier kann man wieder Luft holen und das sollte man auch, denn es geht im darauffolgenden Riss anhaltend weiter. Zunächst gilt es aber an der rechten Wand den rechten Weg in diesen zu finden. Und schon ist man wieder recht am Schnaufen. Was man den restlichen Riss entlang beibehalten kann, oben raus kommt zum Schnaufen ein bisschen Gewurstel dazu. Im Gegensatz zum WollWoll könnte man diese Länge auf einer Genussskala nach heutigen Maßstäben aber zumindest irgendwo verorten. Auch wenn Marcel als lochaffiner Franke sich bemüßigt fühlt schon hier zu hinterfragen, warum diese Tour einen Punkt wert sei. Das junge Banausengemüse soll doch erst einen gescheiten Bartwuchs entwickeln, rufe ich schallend in die erschütterte Bergwelt. Insgeheim jedoch, keineswegs offen natürlich, seinen souveränen Durchstieg anerkennend.

Eines darf man hinsichtlich des Erlebniswertes der Tour auf keinen Fall vergessen. Man hat in der ganzen Tour eigentlich gemütliche Stände mit recht guten Einsichten und kann daher völlig entspannt den Vor-bzw. Nachsteiger bei seinem Treiben verhöhnen. Womit für die/denjenigen die Sache etwas nachgewürzt wird.
Es geht nun etwas gemäßigter weiter, an einem kleinen Wulst zunächst und später einem Spreizschritt darf kurzzeitig die Körperspannung nachgezogen werden, damit man ordnungsgemäß den Stand vor der Quergangsseillänge erreicht.

Vali und Marcel klimpern sich hier schon direkt vor uns rüber. Die Pupillen weiten sich in wachsender Erkenntnis dessen, was uns da erwartet.
Offensichtlich muss hier ein Produkttestincentive der Firma Hilti stattgefunden haben. Thema war zweifelsohne das Ausloten der maximalen Akkukapazität zum Erkunden der Schmelztemperatur von Bohrerspitzen im Kalkgestein. Mit demErgebnis eines kaiseruntypisch überprächtig eingebohren Hakenquergangs. Man kann nun entweder einen Bergsportladen aufkaufen und aus dessen Lagersämtliche Expressen mitnehmen oder man übt sich in Bescheidenheit und clippt bestenfalls nur jede dritte Lasche ordnungsgemäß. Was in die Haut reicht.
Alles in allem eine lustige A0-Zieherei, bei der man viel zu schnell vergisst, dass man, wenn man es kann, auch alles frei machen kann. Und auch wenn Mann, wie ich, eine VIII+ nicht ganz so kann, immer noch das Allermeiste frei machen könnte. Aber halt dann doch nicht tut.

Die weiterhin zudem ausreichlich vorhandenen Rosthaken zeigen, dass es früher freudloser zuging. Wem also die Bolts immer noch nicht genügen, kann das Alteisen auch noch als Zwischen A benutzen. Genug dazu, spassig ist so ein luftiger Quergang in der milden Herbstsonne allemal. Und kein Grund für einen neuen Hakenkrieg. Es bleibt auch so noch genug Platz für Heldentaten. Im Kaiser wie anderstwo.
Wer will, kann sich ja gleich ein paar Meter unterhalb am Originalquergang abarbeiten. Guido Unterwurzacher hat dies 2011 fast 70 Jahre nach der Erstbegehung ausprobiert und höchst abenteuerlich die zwei Seillängen mit IX- und VIII+ befreit. Sicher kein Geschenk und für uns definitiv zu hoch, aber für den ders mag, wohl das Höchste und selbst technisch am Urmaterial bestimmt höchst aufregend.

Drüben angekommen geht es noch ein paar Seillängen hinauf, für die man nur stellenweise noch etwas Biss zeigen muss.

Besonders in den Schlusslängen, die Ausstiegsramperinne hinaus, bietet der schottrige Fels immer weniger Widerstand und man kann die Untenstehenden ohne großen Aufwand unter größeren Beschuss nehmen. Das Zielen fällt leicht, da alle am Stand verhaftet sind.

Eine gute Gelegenheit, stabile Beziehungen einer echten Bewährungsprobe zu unterziehen. Da mir von den Anwesenden keiner das Erbe oder Schlimmeres entziehen kann, darf zumindest ich hier befreit nach oben ziehen. Das nachlassende Gehör bietet zudem einen willkommenen Schutz vor den gellenden Empörungsrufen. Aber auch dieses Vergnügen hat ein Ende und zum Abschluß spaziert man über einen grasigen Schrofenrücken Richtung Gipfel.

Nach Verstauen des Metallgerümpels folgt im schon strohigen Gras sitzend eine kleine Brotzeit, bei der die grandiose Aussicht in der schon tiefstehenden Sonne ausgiebig genossen wird. Die höheren Gipfel im Süden Richtung Tauern sind alle schon verschneit, während weiter unten noch Braun-und Grüntöne vorherrschen.

Die ganze Welt eine einzige Pracht, was auch ein paar Ballonfahrer gemerkt haben. Aber es hilft nichts, wenn wir zum Bier wollen, müssen wir runter, hier oben gibt es außer den Kletterschuhen nichts Vergorenes. Der Steig mit ein paar Kraxeleinlagen fordert noch etwas Konzentration, ab dem Rucksackdepot beim Geröllkessel kann man in Annäherung an den Parkplatz zunehmend somnambul in den Trottmodus umschalten.

Und wer die Stirnlampe vergessen hat, diese aber brauchen würde, zückt heutzutage gerne sein Wischfon und schaltet das Display auf Vollgas. Das geht offensichtlich auch ganz gut. Und telefonieren tut mit den Dingern heutzutage sowieso keiner mehr.