Datum: 16.8.2011
Wer war dabei: Vali, Sebi
Gipfel/Berggruppe: Scio­ra di Fuo­ri /Bergell
Name der Tour: Fuo­ri­kan­te, NW-Kan­te — Diret­ta Integrale
Art der Tour: Alpinklettern
Erst­be­ge­hung: Simon & Wei­pert, 1933, wei­te­re Ergän­zun­gen 1969 bis heu­te (7+ bzw. 7-/A0)
Facts: Scio­ra di Fuo­ri 3169m, NW-Kan­te „Diret­ta Inte­gra­le“, 7+ bzw. 7-/A0, meist 5 –6, ca. 850 m Wand­hö­he, etwa 24 SL, 1,5 h Zustieg, 8 ‑9 h für die Tour, 4 ‑5 h Abstieg, oft län­ger. Stän­de weit­ge­hend ein­ge­rich­tet, im unte­ren Teil eini­ge bolts, nach oben etwas weni­ger. Das übli­che Alpin­g­e­rüm­pel wie Stop­per, Cams, Schlin­gen zudem höchst sinnvoll.

Som­mer, ein biss­chen Urlaub, das Wet­ter ein­wand­frei und die Stim­mung prächtig.Es müs­sen nicht immer die Dolos sein, also geht’s end­lich wie­der mal Rich­tung Bon­das­ca­kes­sel. Im Nach­dunst des vor­mit­täg­li­chen Regens damp­fen wir zur Sciorahüt­te. Die­se kürz­lich von man­chen so geschmäh­te Behau­sung prä­sen­tiert uns als äußerst ein­la­dend. Für den abstru­sen Wech­sel­kurs (damals wie heu­te 1:1) kann sie beim bes­ten Wil­len nichts.

Vali beim Sciorawellness

Es gibt so Ber­ge. Wenn man sie das ers­te Mal sieht, hat man das Gefühl, als ob man ihr Bild schon immer in sich getra­gen hat. Eini­ge davon ste­hen im Ber­gell. Und einer davon ist die Scio­ra di Fuo­ri. Die flam­men­glei­che NW-Kan­te defi­niert die Linie, wie gemalt zwir­belt sich dort die Rou­te hoch.

Ber­ge wie gemalt

Seit dem ers­ten ehr­furchts­vol­len Blick auf das Foto im Extrem-Pau­se, ist sie schon seit lan­gem ein Objekt der Begier­de. Da ist sie aller­dings noch mit dem Ori­gi­nal­ein­stieg der Erst­be­ge­her von 1933 (Simon & Wei­pert) beschrie­ben, die sich über Bän­der kra­xelnd den direk­ten Weg über die unte­re Wand­hälf­te spar­ten und sich gleich an das Sah­ne­stück­chen im obe­ren Teil mach­ten. Mitt­ler­wei­le gibt es aber per Direkt­ein­stieg von 1969 und diver­se Vari­an­ten mit der Diret­ta Inte­gra­le eine präch­ti­ge Genuß­ver­län­ge­rung. Und spä­tes­tens seit 1998 glän­zen auch eini­ge Bol­zen im Gemäu­er, die die gan­ze Unter­neh­mung deut­lich ent­span­nen. So wird im Ver­lauf von immer­hin 80 Jah­ren suk­zes­si­ve über stän­di­ge Bas­tel­ar­bei­ten aus was Tol­lem etwas immer noch Tol­le­res. Gut für uns.

Da gehts hoch

Ins­ge­samt hat man von der Hüt­te aus einen guten Kilo­me­ter Höhen­un­ter­schied vor der Brust. Grund genug, recht­zei­tig den Wecker zu stellen.
Der mor­gend­li­che Früh­start ist wie immer uner­freu­lich, das Früh­stück eher Pflicht­er­fül­lung und das Morä­nen­gek­rau­che im fah­len Licht der Hirn­birn zumin­dest beim Stol­pern erwär­mend. Das tritt­freund­lich halb­wei­che Firn­feld am Ein­stieg erlaubt eine Erleich­te­rung, denn Eisen und Pickel kom­men aus dem Ruck­sack und dür­fen dort auf unse­re Rück­kehr warten.

Vali geht ein Licht auf

Anfangs etwas unüber­sicht­lich turnt man nach oben und nimmt lang­sam Fahrt auf. Nach 8 SL ist end­gül­tig Tag, ein gemüt­li­ches Band bie­tet Raum zum Pin­keln und den ers­ten Müs­li­rie­gel.

Vali gibt alles am Pausenband

Ab jetzt darf man etwas kräf­ti­ger zupa­cken und sei­ne Fäus­te in einer Pracht­ver­schnei­dung verklemmen.

Klemm­pa­ra­de

Immer wei­ter und wei­ter geht es links der Kan­te hin­auf, über Ris­se, Plat­ten, Wän­de. Stän­dig was zu tun, kei­ne ech­ten Ruhe­pau­sen und das Gan­ze in einer Wahn­sinns­land­schaft, herrlich.

Wei­ter gehts

Dann wird es auf ein­mal etwas hel­ler. Bis­lang doch deut­lich im Schat­ten, kommt von rechts mehr Licht. Hier war frü­her mal Berg und die Rou­te führ­te durch einen wohl nicht ganz tri­via­len Riss neben der Kan­te nach oben. Der Berg bzw. die­ses Stück war dann mit­samt dem Riss dort auf ein­mal weg, dafür im Tal. Immer­hin ist jetzt Platz für Son­nen­strah­len. Nach­dem hier eine Zeit lang Schluss mit Klet­tern war, hat sich jemand die Mühe gemacht, per Hand haar­scharf links der neu­en Kan­te eini­ge Bohr­ha­ken in die glat­te Wand zu bas­teln, um sich dar­an hochzuleitern.

Weg zum Licht

Die­se Groß­tat ermög­licht uns heu­te einen sagen­haf­ten Klet­ter­spaß. Rechts sau­gen­de Tie­fe, mit Hand und Fuß teils direkt an der schar­fen Berg­sturz­kan­te. Je nach Gus­to dann ein Stück dane­ben ent­we­der fili­gran über stei­le Plat­ten­wand hoch­ste­hen oder etwas bra­chia­ler mit ein paar Zügen am gebohr­ten Alt­ei­sen lässt man die­ses Herz­stück der gan­zen Tour hin­ter sich. Unver­gess­lich und herr­lich luf­tig die­seSchlüs­sel­län­gen im obe­ren­Teil der Kan­te, die glei­cher­ma­ßen fein­füh­lig balan­cier­tes Stei­gen wie kräf­ti­ges Zupa­cken erfor­dern.

Steil ist geil

Bei den Aus­stiegs­seil­län­gen geneh­migt sich dann das laut Eigen­dar­stel­lung eigent­lich Unfehl­bar­keit sug­ge­rie­ren­de Topo­gui­de­to­po doch eini­ge künst­le­ri­sche Frei­hei­ten. Was einen frei Schnau­ze gehend aber nach der zurück­ge­leg­ten Weg­stre­cke dann nicht mehr aus der Bahn wer­fen soll­te. Letzt­lich hilft einem die Skiz­ze unten sowie­so nicht viel und oben ist es eh schon wurscht. Aber immer­hin beru­hi­gend für das Fuß­volk, dass selbst das eigen­lob­trun­ke­ne Autoren­paar mit irdi­schem Was­ser kocht.

Stan­dard­po­sing

Außer­dem soll­te man hier oben sowie­so mehr das gran­dio­se Pan­ora­ma genie­ßen, als ver­zwei­felt den Sinn in Füh­rern suchen.

Halb­zeit

Ist man dann oben, muss man auch wie­der run­ter. Das kann hier dau­ern und ist nicht ganz tri­vi­al. Ein biss­chen alpi­nen Spür­sinn braucht man da, siche­res Stei­gen im auch mal schutt­i­gen Kra­xel­ge­län­de und vol­le Konzentration.

Obacht geben!

Sonst kann aus Spaß leicht Ernst wer­den. Wur­de es aber nicht. In den letz­ten Abseil­län­gen lässt zuneh­mend die Anspan­nung nach, vor allem wenn sich kein ein­zi­ges Mal das Seil beim Abzie­hen ver­hängt. Brav so.

Am Nylon­fa­den

Unser am Ein­stieg depo­nier­tes Eisen­zeug darf noch eine Nacht auf uns war­ten, wir ent­schei­den uns spont­an­zu einem par­force-Ritt über das Block­feld Rich­tung Hütte.

Vali wit­tert das Bier

Eine rich­ti­ge Ent­schei­dung, denn die Hüt­ten­leu­te haben uns trotz deut­li­cher Ver­spä­tung das Abend­essen parat­ge­hal­ten. Und die fäl­li­ge Dose Calan­da. Die ihre 7,5 CHF mehr als wert war. Grund genug wie­der zu kommen.

Soglio bie­tet Ein­blick in die Wunderwelt

 

Obacht: Eigent­lich ist der Zustieg zur Hüt­te durch das Val Bon­das­ca seit dem ver­hee­ren­den Berg­sturz vom Cen­ga­lo am 23.08.2017 mitt­ler­wei­le und immer noch gesperrt. Wer das trotz Ver­bot macht, bewegt sich eine gute Stun­de in der Gefah­ren­zo­ne. Wer sich als geset­zes­treu­er Bür­ger ver­hal­ten will, darf von der Berg­sta­ti­on der Albi­g­na­seil­bahn über den Cac­cia­bel­la-Pass eine veri­ta­ble gut 6stündige Wan­de­rung genießen.Da die Scio­ra-Hüt­te immer noch nicht bewir­tet ist, kann man nur im Win­ter­raum unter­schlup­fen und darf alles Lebens­not­wen­di­ge mit sich tra­gen. Für den Abstieg von der Tour soll­te man aktu­el­le Infos im welt­wei­ten Netz konsultieren.