Datum: 25.05.2010
Wer war dabei: Vali, Sebi, Kathi, Jörg
Gipfel/Berggruppe: Unte­rer Schüsselkarturm/Wetterstein
Name der Tour: Nord­wand “Scho­ber“
Art der Tour: Alpi­ner Klassiker
Erst­be­ge­hung: M. Scho­ber & F. Münch 7.10.1938
Facts: 6+ (6/A0), 250 Hm, 10 SL. Brauch­bar ein­ge­bohrt, ein paar Keile/Cams und Schlin­gen angenehm

Alpi­ne Klas­si­ker –Die Scho­ber, Unte­rer Schüsselkarturm

Was ist eine Scho­ber? Ein Schreib­feh­ler? Ein Heu­sta­del? Die Frau von ihm? Oder ein­fach nur Bahnhof?
Das hängt vom Blick­win­kel des Betrach­ters ab, also fan­gen wir lie­ber ganz von vor­ne an.
Für eine Scho­ber nach mei­nem Dafür­hal­ten braucht man erst­mal den Scho­ber. Der hieß Micha­el (vul­go Michl), wur­de am 30.8.1918 in Mün­chen gebo­ren und starb kriegs­be­dingt am 12.6.1940 in Frank­reich. In Frie­dens­zei­ten trat er 1937 in die Jung­mann­schaft Gar­misch-Par­ten­kir­chen ein, klet­ter­te in der kur­zen Zeit bis zu sei­nem Tod anspruchs­vol­le alpi­ne Rou­ten und mach­te, vor allem im Wet­ter­stein und den Dolo­mi­ten, auch noch so man­che Erst­be­ge­hung. Und das ist dann jeweils eine Scho­ber.

Es gibt also meh­re­re Scho­ber. Hier geht es aber um Die Scho­ber. Zumin­dest bei uns, d.h. Mün­chen & Süd­bay­ern (in den Dolo­mi­ten sieht das natür­lich wie­der anders aus). Der Name reicht und schon weiß hier fast jeder, der die pas­sen­de Wel­len­län­ge hat, was gemeint ist. Auf jeden Fall aber Ober­rein­tal-affi­ci­o­na­dos. Selbst im Ober­rein­tal gibt es ande­re Scho­bers, aber gemeint ist eigent­lich immer nur die eine. Die an der Nord­wand des Unte­ren Schüs­sel­kar­turms. Den sieht man schon spitz und steil mit sei­ner Pracht­wand zwi­schen Ober­rein­tal­turm und Dom/Berggeistturm, wenn man beim Zustieg zur Ober­rein­tal­hüt­te (jawoll, eigent­lich heißt sie Franz-Fischer-Hüt­te) die letz­te stei­le Schot­ter­pas­sa­ge hin­ter sich hat und am Gar­ten­türl steht. Zumin­dest sobald man vom gewal­ti­gen Holz­scheit sanft nie­der­ge­drückt die Schweiß­per­len aus den Augen geblin­zelt hat.

Ein­tritt ins Kletterparadies

Die Rou­te war zum Zeit­punkt der Erst­be­ge­hung ein Mei­len­stein. Gera­de mal 11 Stun­den brauch­ten Michl Scho­ber und Karl Münch, um 1938 mit ein paar Haken, Hanf­seil um den Bauch und Man­chon­schlap­pen an den Füßen durch die Wand zu stei­gen. Zwi­schen den paar Haken, die sie ver­wen­de­ten, sind sie ordent­lich geklet­tert, was damals so üblich war und die Wie­der­ho­ler durch­aus auch fest­stel­len müs­sen. Und was ihren Ruf begründet.
Durch die Auf­nah­me im Extrem­pau­se wur­de sie dann amt­lich ein Mark­stein. Auch heu­te noch ist sie mit bzw. trotz umsich­ti­ger Bebol­tung durch­aus ein Prüf­stein. Zumin­dest für die­je­ni­gen, die beab­sich­ti­gen in das Reich der alpi­nen Ses­to­gra­dis­ten Ein­blick zu bekom­men. Wer die­sen 6er anstän­dig klet­tern kann, kann das vor­aus­sicht­lich, zumin­dest im Kalk­stein, auch wo anders probieren.
Vor allem aber ist sie ein abso­lu­tes Muss für alle, die schlicht eine rund­um stim­mi­ge, tadel­lo­se, abwechs­lungs­rei­che und über jeden Zwei­fel erha­be­ne Alpin­klet­te­rei genie­ßen wol­len.

Wer hin­lan­gen will, muss erst­mal schwitzen

Der Unte­re Schüs­sel­kar­turm ist eigent­lich kein son­der­lich beein­dru­cken­der Berg. Dafür liegt er in der fal­schen Gegend. In der Lüne­bur­ger Hei­de sähe das wohl anders aus, aber da sind wir nun mal nicht. Zum Glück, sag ich mal im tie­fen Brust­ton ober­baye­ri­scher Über­zeu­gung. Ein net­ter Spitz halt, umge­ben von gewal­ti­gen Wand­fluch­ten, die ihn, obwohl 2200 m hoch, aus­nahms­los über­ra­gen. Inmit­ten des gran­dio­sen Fel­sen­am­phi­thea­ters des Ober­rein­ta­les. Kommt man aber der Nord­wand näher, wird sie dann doch immer grö­ßer. Aber schließ­lich nicht so rich­tig ganz groß. Sie ist qua­si nur ein klei­ner Schein­rie­se. Halt! Schein­zwerg natür­lich. Die Rou­ten in der Nord­wand haben alle eine über­schau­ba­re Län­ge mit rund­u­ma­dum 10 Seil­län­gen. Dafür zeich­nen sie sich fast durch­wegs durch aus­ge­sucht schö­ne und stei­le Klet­te­rei aus, deren Punk­te ordent­lich ver­dient sein wol­len. So auch die Scho­ber. Die­se Rou­te beglei­tet mich auf mei­nem Klet­ter­er­weg nun schon über ein vier­tel Jahr­hun­dert und trotz der vie­len ande­ren schö­nen Tou­ren in mei­nem Leben, bleib ich ihr treu. Anfäng­lich noch etwas unsi­cher und über­for­dert, mit schwit­zi­gen Fin­gern, wird sie bei jeder Bestei­gung zwar zuneh­mend ver­traut, bleibt dann aber doch jedes­mal irgend­wie anders und eigen. Wie bei einem alten Ehe­paar. Bevor ich mich jetzt aber voll­ends vom Fett­näpf­chen aufs schlüpf­ri­ge Glatt­eis bege­be, komm ich wie­der zum eigent­li­chen The­ma zurück.

Von der Hüt­te muss man einen der wei­te­ren des für lan­ge Zustie­ge nicht ganz so berüch­tig­ten Ober­rein­tals in Kauf neh­men. Sat­te 45 Minu­ten soll­te man ein­pla­nen, zar­te verthal­kirch­te Arco­lun­gen mit Teer­be­lag kön­nen das natür­lich belie­big aus­deh­nen. Wer vom Tal aus star­tet, hat selbst­ver­ständ­lich deut­lich mehr vor der Brust und mit einem Berg­rad sowie­so auch mehr vom Leben. Dort ange­kom­men bil­det eine meist feuch­te, dafür rund­grif­fi­ge Riss­ver­schnei­dung den Anfang. Die zeigt dem Fün­fer­aspi­ran­ten, wo der hal­len­fer­ne Bartel bei aus­rei­chen­der, aber über­schau­ba­rer Siche­rung den Most holt. Das ist auch gut so, denn ab dann wird es erst­mal nicht mehr leich­ter.

Kathi hat den Ein­stiegs­riss schon hin­ter sich gebracht

Im Früh­jahr kom­men hier meis­tens die anfangs noch klam­men Fin­ger als beson­de­re Wür­ze dazu, die sich zu Beginn fast jeder nord­sei­ti­gen Tour ger­ne ein­stel­len. Viel Zeit, dar­über nach­zu­den­ken, soll­te man sich nicht las­sen, denn es hilft nix und nur durchs Tun wird man warm. In den nächs­ten drei Seil­län­gen kommt der Kreis­lauf schön in Schwung, der eine oder ande­re Ring weist den Weg im stei­len Gemäu­er und wird freu­dig geklippt.
Das sind kei­ne neu­mo­di­schen Aller­welts­plätt­chen, son­dern Pit Schu­berts Mega­rin­ge, die so ger­ne an der Wand anlie­gen. Zum Clip­pen darf man die oft erst­mal ein wenig mit einem frei­en Fin­ger anhe­ben. Wem dabei die nöti­ge Ruhe bzw.Übung fehlt, dem wer­den sicher situa­ti­ons­ab­hän­gig eini­ge unflä­ti­ge Wor­te durch den Kopf schie­ßen und ggf. auch den Weg nach drau­ßen fin­den. Dafür ver­mit­teln die­se Rin­ge nach Voll­zug ein ganz tie­fes Gefühl der ulti­ma­ti­ven Sicher­heit. Und sie füh­ren klar vor Augen, was der Sinn des stan­dard­mä­ßig gleich­schnap­per­läu­fi­gen Ein­sor­tie­rens der Kara­bi­ner in eine Exe ist.
Wäh­rend man klet­ternd über sol­che Din­ge oder was ande­res oder viel­leicht auch gar nichts nach­denkt kommt man zum Ban­kerl. Das ist ein schön luf­ti­ger Stand­platz­in einer Nische mit einer Bank.

Jörg sitzt

Da darf man sich erst­mal hin­set­zen und dar­über freu­en, dass man­che Leu­te aus Spaß an der Freud schö­ne Din­ge durch sol­che Wän­de schlep­pen, damit alle was davon haben.

Kathi sitzt auch und Vali schaut in die Röhre

Hie­r­ist sicher Zeit für den Müs­li­rie­gel oder ger­ne auch Wohl­schme­cken­de­res und einen Schluck aus der Pul­le. Das dor­ti­ge Alt­glas­la­ger beweist, wel­che Sor­ten iso­to­ni­scher Geträn­ke im Alpi­nis­mus Ver­wen­dung fin­den. Vor allem spä­ter im Jahr riecht man lei­der manch­mal, dass so man­cher Schluck bei man­chen auch gleich wie­der raus muss. Nun denn, wen­nes­wei­ter hilft. Aber­Ver­drü­cken macht manch­mal auch nix und schont den olfak­to­ri­schen Fein­sinn der Nach­kom­men­den.

Kathi freut sich über den Ring, Vali weiß noch nichts davon

Jeden­falls darf ab jetzt noch­mal deut­lich hin­ge­langt wer­den und aus steil wird auch mal sehr steil. Aber nie so, dass man sich nicht zwi­schen­drin auch aus­ru­hen könn­te. Die Seil­län­gen sind meist klas­sisch kurz und man holt sich eher beim Ein­ho­len der zeit­ge­mäß lan­gen Sei­le einen Wolf als beim Kra­xel­nei­nen­Krampf. Am Stand ist es dann sowie­so gemüt­lich.

Vali holt sich am Stand modi­sche Anregungen

Schließ­lich steht die Abschluss­pa­ra­de an. An steil plat­ti­ger Wand darf mit Linksd­rall aus meist schlat­zi­gen Griff­lö­chern das Was­ser aus­ge­presst wer­den. Da muss man schon was tun, ein Dud­derl mehr als bis­her, dafür sit­zen die Rin­ge dich­te­r­und danach ist es auch fast vorbei.

Auf dem ver­dien­ten Weg ins Licht

Den­nin den letz­ten bei­den Seil­län­gen wird es deut­lich leich­ter. Aus­lauf­ge­län­de zum Gip­fel­grat, über den­dann der Gip­fel über­klet­tert wird, um an der Hin­ter­sei­te des Ber­ges in die Schar­te zwi­schen Obe­ren und Unte­ren Schüs­sel­kar­turm zu kra­xeln. Dageht es dann rechts rum und man kann auf einer Wie­se auch mal ein schö­nes Nicker­chen hal­ten. Bevor jen­a­ch Jah­res­zeit die Schot­ter­reis­se oder das Firn­feld Rich­tung Wand­fuß­r­un­ter­ge­saust wird.

Der Blick aufs Tagwerk

Am Ein­stieg ange­langt sam­melt man sin­ni­ger­wei­se Alles ein, was man da so zurück­ge­las­sen hat. Zumin­dest das was man noch­mal brau­chen kann und nicht schon ver­daut wur­de. Und trollt sich über den Pfad Rich­tung Plat­ten­schuss wo kra­xelnd das Bier immer näher kommt. Denn war­um macht man das alles sonst.

H.m.l.a.A. – wo alles anfängt und alles aufhört