Datum: 05.06.2012
Wer war dabei: Vali, Sebi
Gipfel/Berggruppe: Piz Ciavaces/Sellagruppe
Name der Tour: Südwand Micheluzzi
Art der Tour: Alpiner Klassiker
Erstbegehung: L. Micheluzzi & E. Castiglioni 26.9.1935
Facts: Ca. 12 SL, meist 5, kurze Stellen 6/6+ (ggf. A0) bis zum Gamsband; ab da wird sich mit weiteren ca. 11 SL (meist 4, teils 5/5+) außer zunehmendem Rost nicht viel geändert haben; Normalgrundausrüstung, zudem Schlingen, ein paar Stopper, ggf. je 1 mittlerer & kleiner Cam
Piz Ciavaces ‑Große Micheluzzi
Endlich Pfingsten, endlich Urlaub, endlich Dolos. Unser Lager schlagen wir wie so oft am Karerpass auf, nicht nur zwengs den romantisch rosigen Wänden im Abendrot. Nach einer ausgiebigen Mahlzeit stellt sich beim Leeren einer weiteren Flasche Palestina die Frage, wie wir unseren Winterspeck außer durch heftiges Schnarchen mobilisieren wollen. Zur frühjährlichen Tuchfühlungsaufnahme mit steilem Dolomitgemäuer bietet sich da gerne der Ciavaces an. Zudem liegt da vieles oft in der Sonne und alte Männer haben es gern warm.

Im Rosengarten kann man zwar auch viel machen, aber das kann frisch verschneit ruhig warten. Es wird ja nicht alt.
Erstmal in aller Ruhe frühstücken, dann gen Sellajoch gekurvt. Und siehe da, wie so oft um diese Jahreszeit kein Massenauflauf, sondern einfach niemand da. Das erhöht die Qual der Wahl. Dann aber auch wieder nicht, denn wann kann man schon mal die „Große Micheluzzi“ ohne Dauerstau angehen.

Meine letzte Begehung dieser Route liegt etwa ein Vierteljahrhundert zurück, an viel Konkretes kann ich mich aber nicht mehr erinnern. Nur daran, dass der obere Teil ab dem Gamsband zwar nicht schlecht, aber deutlich karger gesichert sowie zwar nicht ganz so bröselig wie erwartet, dafür aber vor allem dreckiger war, als der untere. Und das Ganze zusammen mit dem damals üblichen Abstieg über den Pößneckersteig eine längliche Unternehmung ergab.
Da wir es eher genüsslich und überschaubar wünschen, peilen wir zeitgeistgemäß diesmal mit dem Gamsband nur die light-version der Route an. Entscheidungsfördernd war sicher auch, dass im oberen Teil noch Schmelzwasserbächlein von den Schneefällen der Vortage über die Wand rinnen. Vor allem aber wollten wir um jeden Preis rechtzeitig zum Abendessen in der Kneipe unserer Wahl, der grandiosen Fallmur-Alm, am Karerpass zurück sein.

Schnell ist der Ranzen gepackt, allzu viel Gerümpel wird man wohl nicht brauchen, dafür ist die Tour zu oft begangen und das Meiste rund ums Sellajoch sowieso eher dolomitenuntypisch gesichert. Das grimmige Nordwandgesicht darf also zu Hause bleiben. Dieter freuts, liegen seine Wurzeln doch eher im gut gebolteten bzw. boulderbaren Gelände. Mich freuts auch, denn wir sind ja schließlich zu unserem Vergnügen unterwegs.

Am Einstieg mahnt eine nicht mehr ganz taufrische Schlinge, dass wir hier nicht in Arco sind. Dafür sind manche Griffe durch Schweiß und Sohlen hautschmeichlerisch geglättet, damit gleicht sich das wieder aus. Was aber wider Erwarten nirgends wirklich stört und auch gar nicht so schlimm ist, wie oftmals behauptet. Hat man mal mit dem Kraxeln begonnen, steckt immer wieder ein mehr oder weniger alter Haken, an den Ständen zumindest am Anfang sogar Verbundsnirosta. Dazukann sogar ab und zu eine Schlinge gefummelt oder ein Keilchen gelegt werden. Leider haben wir beide den Nusspopler (=nutkey) vergessen, so könnt ihr euch an einer Stelle das Gebastel eventuell sogar sparen. Wenn nicht einer der sicherlich zahlreichen Nachfolger eine bessere Fein- bzw. Grobmotorik hatte als Dieter und den festsitzenden Wallnut seinem Arsenal zugeführt hat.

Wir turnen also gemütlich nach oben, bis wir genügend Höhe haben und dann nicht Buhls, sondern den Spuren des Erstbegehers folgen. Und das heißt queren. Nach rechts.

Und weiter queren.

Und noch mal queren.

Und bevor es endlich wieder nach oben geht, noch mal kurz queren. Es klingt jetzt vielleicht nicht so, das Ganze ist aber durchaus höchst vergnüglich und als sagenumwobener „90-Meter-Quergang“ geschichtsbuchgängig. Nur sollte der Nachsteiger nicht überfordert sein, außer er hat Spaß an unerfreulichen Pendlern.

Ist das geschafft,geht es wieder mit ein bisschen Linksdrall aufwärts. Etwas leichter zwar, dafür unübersichtlicher und ohne Griffspeck, der den Weg weisen könnte. Und es steckt auch weniger, also muss die Spürnase größer werden. Dieter schaut mit großen Augen, während ich großspurig von der logischen Linie fasel.

Einerlei, wahrscheinlich ist es in diesem Gelände eh wurscht, hauptsache man kommt an. Was wir natürlich tun und uns zumindest darin einig sind, einen rundrum genussreichen, weitgehend stressfreien Tag erlebt zu haben.

Nach einer kurzen Schaueinlage ins weite Land trollen wir uns übers Gamsband davon und mit etwas abklettern sind wir bald wieder unten. Gut so, denn nach diesem Schmankerl haben wir schließlich noch einige weitere kulinarische Aufgaben zu erledigen.
